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"Wenn Dirk Plähn zur Arbeit geht, erwartet ihn nichts Gutes. Der Barsbütteler wird immer dann gerufen, wenn Blut und Leichen im Spiel sind. Plähn ist Tatortreiniger. Er kommt, wenn ein Verbrechen begangen wurde oder eine Leiche wochenlang in der Wohnung lag."





"Nach so langer Zeit ist von dem Leichnam meist nicht mehr übrig als das Skelett und eine „suppige Masse“. „Der Körper löst sich förmlich auf. Bis zu 15 Liter Flüssigkeit – ein Gemisch aus Blut, Wasser, Fäkalien und Fett – laufen aus ihm heraus und hinterlassen einen penetranten Geruch“, sagt der 43-Jährige. So unangenehm, dass sich die Meisten übergeben müssen, sobald die Wohnung geöffnet wird. Schwer sei der Geruch und etwas süßlich. Als Plähn ihn zum ersten Mal roch, konnte er sechs Monate lang keine Marabou-Schokolade mehr essen, weil die ihn im Geschmack daran erinnerte.


Seitdem trägt er bei der Arbeit einen Vollschutzanzug und eine Atemschutzmaske. Betritt er die Wohnung, war die Feuerwehr, die Polizei und der Leichenbestatter meist schon vor ihm da. Gerufen wird er von Hinterbliebenen oder dem Vermieter. Plähn rückt dann mit seinen Chemikalien an – darunter allein sechs verschiedene Desinfektionsmittel. Dann wischt er Fliesen sauber, reißt Teppiche heraus, nimmt den Estrich hoch und wischt den fettigen Ölfilm, der sich auf Möbel, Türdichtungen und Fensterbänke gelegt hat, ab.

Für einen „normalen Leichfundort“ braucht der Desinfektor etwa acht bis zehn Stunden. „Die Arbeitszeit hängt auch immer davon ab, wie lange der Tote dort schon gelegen hat und wie er gestorben ist.“ Stoffe, Möbel, Kleidung sind in den meisten Fällen nicht zu retten. Kleinzeug verpackt der Tatortreiniger in luftdichte Behälter und lässt sie verbrennen. Genauso wie seinen Schutzanzug.


Um diese Arbeit aushalten zu können, versucht Plähn so wenig wie möglich an sich heran zu lassen: „Im Grunde will ich gar nicht wissen, wer verstorben ist und wessen Wohnung ich gerade reinige.“ Deshalb klappt er Fotografien auch um, auf Gespräche mit Nachbarn lässt er sich nicht ein. „Ich will nur meine Arbeit machen. Und das so gut wie möglich.“ Allerdings gelingt das nur bedingt: „Blut und alle anderen Flüssigkeiten sind für mich etwas Abstraktes. Doch sobald Haare oder Zähne ins Spiel kommen, wird es persönlich.


So wie im vergangenen September, als im Hamburger Hotel „Fürst Bismarck“ eine amerikanische Studentin brutal ermordet wurde. Noch am selben Tag, an dem ihre Leiche im Hotelzimmer entdeckt wurde, klingelte bei Plähn das Telefon. Er sollte im Hotelzimmer und Bad die Spuren der blutigen Tat beseitigen. Dabei fand er schwarze Locken der hübschen 23-Jährigen, deren Foto durch die Presse ging. „Die Frage, was da in den letzten Minuten passiert ist, hat mich noch lange danach beschäftigt.


Während der mehrstündigen Reinigung kam auch ein vollständiger Fußabdruck auf dem roten Teppich zum Vorschein. Das Mittel, das er zuvor versprühte, macht Blutspuren sichtbar. „Das war schon etwas geisterhaft.“ Glücklicherweise waren solche „schweren Einsätze“ in seiner zweijährigen Tätigkeit bislang selten. Auf die Idee, sich mit der Tatortreinigung Nord selbstständig zu machen, kam der gelernte Energie- und Anlagenelektroniker nach einem Zeitungsbericht. Dass er starke Nerven hat, wusste er. Seine größte Angst war die vor dem Anblick von Blut. Denn beim Blutspenden wurde ihm immer schlecht.


Viel Konkurrenz hat er im Norden bislang nicht. Das mag auch daran liegen, dass die Arbeit körperlich sehr anstrengend und kaum planbar ist. Drei- bis viermal im Monat wird Plähn gerufen – am Tag und in der Nacht. Aber die Arbeit hat nicht nur Schattenseiten: Seine Kunden sind oft sehr dankbar, dass er ihnen die unangenehme Arbeit abnimmt. Nach seinem Einsatz sind die Wohnungen hygienisch rein, nicht ein Blutspritzer findet sich mehr dort. Und auch die Luft ist wieder angenehm: „Es riecht dann nach Schwimmbad“, sagt Plähn."

 

Link zur Bergedorfer Zeitung: Tatortreiniger Dirk Plähn entfernt Spuren brutaler Verbrechen